Das Missionshaus in Kommaggas 1854, im Vordergrund am Tisch sind Zara und Johann Schmelen dargestellt. © Archiv- und Museumsstiftung der VEM

In Deutschland leben etwa eine Million Schwarze. © shutterstock.com

Staatlich offiziell ist der Black History Month (BHM) in Deutschland zwar nicht. Doch in einigen Großstädten veranstalten afrodeutsche Organisationen seit den 1990er Jahren im Februar verschiedene Events und Aktionen. Das Ziel: Leben, Geschichte, Kultur und Probleme schwarzer Menschen in Deutschland sichtbarer machen. Und das ist dringend nötig.

Was ist der Black History Month?

Der „Monat der schwarzen Geschichte“ richtet den Fokus auf Historie und Errungenschaften von schwarzen Menschen in weißen Mehrheitsgesellschaften. Zunächst ging es explizit um Afro-Amerikaner, denn die Geburtsstunde des Black History Month war 1926 in Chicago:

Carter G. Woodson, Jahrgang 1875 und Sohn ehemaliger Sklaven, gelang 1915 ein mehr als seltener Aufstieg: Als zweiter Afroamerikaner (nach W.E.B. DuBois) promovierte er in Havard. Von da an setzte er sich verstärkt dafür ein, die Geschichte der Afroamerikaner wissenschaftlich zu untersuchen. Um das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit zu gewinnen, initiierte er im Februar 1926 erstmals eine „Negro History Week“.

Mit seinem ehrgeizigen Bildungsprojekt erreichte Woodson, dass auch einige weiße Schulen in den 1930er Jahren Unterrichtsinhalte über schwarze Geschichte übernahmen. Die „schwarze Woche“ breitete sich in mehreren US-Staaten aus. Auf Initiative von Studenten und Dozenten der Kent State University kam es 1970 zum ersten Black History Month – mit neuem Namen und erstmals den ganzen Februar hindurch. Von 1976 an erklärten alle US-Präsidenten offiziell diesen Monat als Black History Month.

1987 führte auch das Vereinigte Königreich den Black History Month ein, 1995 Kanada und 2014 Irland. Während Nordamerika traditionell im Februar feiert und tagt, begehen die Briten und Iren den Black History Month im Oktober.

Warum ein Black History Month in Deutschland?

Es geht zunächst um das Narrativ. Das ist hierzulande ausschließlich weiß. Denn deutsche Geschichte erzählt sich aus der Perspektive der weißen Mehrheit, lässt andere Blickwinkel außer acht. Aber „schwarze Geschichte“ in Deutschland? Was für die USA und das Vereinigte Königreich plausibel klingt, erscheint vielen bei uns etwas weit hergeholt. Schon allein wegen dieser Sichtweise hat der Black History Month in Deutschland seine Berechtigung. Doch das ist nicht der einzige Grund.

Schwarze deutsche Geschichte

Im Vergleich zum British Empire war das Deutsche Reich nur kurz Kolonialmacht. Die Jahre von 1884 bis 1919 genügten jedoch, um in mehreren „Schutzgebieten“ in Afrika Schreckensherrschaften zu errichten und schwerste Menschenrechtsverbrechen zu begehen. Während dieser Aspekt in den Geschichtsbüchern bereits nur am Rande vorkommt, wird der Widerstand von Afrikanern gegen den Kolonialismus in der Regel überhaupt nicht thematisiert.

So ist auch beispielsweise der Maji-Maji-Krieg von 1905 bis 1907 weitgehend unbekannt. Der Aufstand im Süden des damaligen Deutsch-Ostafrika gegen die Kolonialherren fand nicht auf deutschem Boden statt. Gleichwohl ist diese Episode (wie auch die Verfolgung in der NS-Zeit) ein Teil deutscher Geschichte, genauer gesagt: afrodeutscher Geschichte. Die reicht indes sogar noch weiter zurück. Vom Mittelalter an lebten schwarze Menschen in Deutschland, zum Teil sehr berühmte wie zum Beispiel der westafrikanische Philosoph Anton Wilhelm Amo, der im 18. Jahrhundert an Universitäten in Sachsen lehrte.

Schwarze deutsche Gegenwart

Heute leben mehr als eine Million schwarze Menschen in Deutschland. Eine von ihnen, Aminata Touré, wird im Juni 2022 grüne Familienministerin in Schleswig-Holstein. Drei sitzen 2022 im Deutschen Bundestag: die Rechtsanwältin Awet Tesfaiesus für die Grünen, der Diplom-Chemiker Karamba Diaby und der Unternehmensberater Armand Zorn für die SPD. Vor allem Diaby, 2013 neben Charles Huber der erste Afrodeutsche im Bundestag, erlebte viele Anfeindungen – bis hin zu Schüssen auf sein Büro in Halle.

Physische Gewalt ist zwar nicht alltäglich, doch viele Afrodeutsche fühlen sich diskriminiert oder zumindest marginalisiert. Nahezu alle haben bereits verschiedene Formen von Rassismus erlebt.

Nicht immer steckt Böswilligkeit dahinter, sondern oft genug Ahnungslosigkeit. Denn schwarze Menschen zählen faktisch schon lange zur deutschen Gesellschaft. Nur in den Köpfen ist das noch nicht angekommen, wie die Autorin und Journalistin Fabienne Sand in einem Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur erläutert: „Ich glaube, was der Black History Month sein sollte, ist, dass weiße Menschen anfangen nachzuvollziehen, dass die deutsche Geschichte keine rein weiße Geschichte ist.“

Um der Unwissenheit über die Lebensrealität Afrodeutscher zu begegnen, führte der Verein Each one teach one 2020 eine große Umfrage in der schwarzen Community durch. Das Ergebnis ist der Afrozensus, der zum Herunterladen bereitsteht.

Wie sieht der Black History Month in Deutschland aus?

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), die sich für die schwarze Community und gegen Rassismus engagiert, organisierte 1990 den ersten Black History Month in Deutschland. Der ist inzwischen eine Institution und beschränkt sich nicht mehr nur auf die Hauptstadt.

Es gibt unter anderem Konzerte, Theaterstücke, Lesungen, Workshops und andere Aktionen in Berlin, Hamburg, Köln, Dortmund, Düsseldorf, München. Viele kleine Initiativen und Gleichstellungbeauftragte in weiteren Städten steuern eigene Veranstaltungen bei, Universitäten bieten Themenreihen an.

Ziele des Black History Month

Der Black History Month steht nicht nur für die Rechte schwarzer Menschen. Er bedeutet immer auch Einsatz für andere Ethnien, queere Menschen sowie feministisches Engagement. Im Fokus stehen jedoch die Afrodeutschen.

Die Angebote des Black History Month richten sich sowohl an diese als auch die weiße Mehrheitsgesellschaft. Entsprechend vielfältig sind die Ziele.

Sichtbar machen

Dazu gehört einerseits Wissensvermittlung über schwarze deutsche Geschichte, Kultur und Traditionen sowie die aktuellen Lebensumstände Afrodeutscher und schwarzer Menschen in Afrika.

Stärker sichtbar werden sollen insbesondere auch schwarze Kulturschaffende in Deutschland. Namen wie Wagner Carvalho, Simone Dede Ayivi (beide Theater), Manuela Sambo (Malerei) und Sharon Dodua Otoo (Literatur) beispielsweise sind vielen in Deutschland kein Begriff. Aktionen im Rahmen des Black History Month geben auch unbekannteren Künstlern Raum.

Diskriminierung und Rassismus bekämpfen

Vorurteile bereiten den Weg zu Diskriminierung und Rassismus. Mit den zahlreichen Informationsveranstaltungen soll der Black History Month dazu beitragen, diese abzubauen. Zugleich zeigen einzelne Beiträge, wie sich Rassismus im deutschen Alltag äußert.

Empowerment

Der Begriff ist in zahlreichen Veranstaltungskalendern zum Black History Month in Deutschland zu lesen. Dieses Black Empowerment soll Afrodeutsche stärken und ermutigen sowie eine positive Identifikation mit den eigenen Wurzeln forcieren.

Begegnung und Vernetzung

Neben den offiziellen Veranstaltungen bietet der Black History Month viele Möglichkeiten für den (interkulturellen) Austausch. So entstehen neue Projekte und Kooperationen und nicht zuletzt auch neue Freundschaften.

 

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