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Verbietet sich eine Kritik an Fridays for Future (FfF) nicht von selbst? Junge, hochmotivierte Menschen demonstrieren bei Wind und Wetter, um unser Klima zu retten. Während andere bequem auf dem Sofa lümmelnd keinen Finger dafür rühren.

Die Antwort scheint einfach, denn wer sich in der Anfangszeit der Bewegung nicht selbst für FfF engagierte, mühte sich doch in der Regel, Zustimmung auszustrahlen. Wer das nicht tat, galt leicht als uneinsichtiger Klimasünder. Genau dieser ständig erhobene moralische Zeigefinger wandelte sich zum Problem für FfF selbst. In der Kritik stehen nun auch Fridays for Future und seine wichtigsten Akteure.

Die Stars bei Fridays for Future – Kritik unerwünscht

Alles begann mit einer jungen Schwedin, die sich 2018 am ersten Schultag nach den Sommerferien vor dem Parlamentsgebäude in Stockholm aufstellte. Mit ihrem Schild mit der Aufschrift „Schulstreik für das Klima“ wurde sie schnell berühmt. Nachahmer von Greta Thunberg fanden sich schon wenige Monate später in ganz Schweden, aber auch in anderen Ländern.

Mit zahlreichen öffentlichen Auftritten und Appellen überzeugte Greta Thunberg auch viele Politiker von ihrem Anliegen, die Klimaziele einzuhalten. Vereinzelte Stimmen kritisierten jedoch ihre Kompromisslosigkeit, die im Prinzip keinen richtigen Dialog zuließ.

Kritik muss auch die bekannteste deutsche FfF-Vertreterin Luisa Neubauer einstecken. Auch sie schießt mitunter verbal über das Ziel hinaus und gilt nicht als ausnehmend kompromissbereit. Berechtigte Kritik an manchen Äußerungen wird kaum konstruktiv aufgenommen.

Was gibt es zu kritisieren?

Eine ganze Menge, wenn es nach Clemens Traub, Autor des Buchs Future for Fridays? geht. Als anfänglichem Sympathisanten kamen ihm mit der Zeit Zweifel. Waren die Aktivisten bei FfF nicht nur zielgerichtet, sondern auch engstirnig? Nicht nur kompromisslos, sondern auch arrogant?

Auf dem Land aufgewachsen und jetzt in der Großstadt lebend, haderte Traub zunächst mit der mangelnden Begeisterung seiner Jugendfreunde in der dörflichen Heimat. Die konnten nämlich mit den zum Teil apokalyptischen Prognosen der Demonstranten nur wenig anfangen. Anlass für Traub, sich mit diesen etwas genauer auseinanderzusetzen.

Als „abgehobene Großstädter“ werden die Klimaaktivisten in ländlichen Regionen häufig wahrgenommen. Gut situierte Jugendliche und Heranwachsende stoßen mit ihren radikalen Forderungen und Vorverurteilungen viele vor den Kopf. So gewinnt man nicht die Mehrheit für nötige Verhaltensänderungen zugunsten des Klimas. Wie es dennoch funktionieren kann, verrät Clemens Traub im Interview.

 

Fragen an Clemens Traub zu FUTURE FOR FRIDAYS?

– Das Interview wurde geführt zum Erscheinen seines Buches in 2020 

Mit FUTURE FOR FRIDAYS? veröffentlichen Sie einen sehr kritischen Beitrag zur aktuellen Diskussion um die Klimabewegung Fridays for Future, die weltweit etliche Jugendliche auf die Straße bringt. Warum hatten Sie das Gefühl, das Buch schreiben zu müssen?

Klimaschutz ist mir persönlich ein Herzensanliegen. Die Vorstellung, mit anderen Jugendlichen für die Zukunft unseres Planeten auf die Straße zu gehen, löste in mir deswegen zunächst auch Stürme der Begeisterung aus. Doch je häufiger ich an Demonstrationen teilnahm, desto fremder wurde mir die Klimabewegung. Ich habe generell den Eindruck: immer mehr Menschen kehren Fridays for Future den Rücken. Und das trifft längst nicht nur auf unbelehrbare Klimawandelleugner zu.

Auch bei vielen ganz „normalen“ Menschen, die für den Klimaschutzgedanken an und für sich viel übrig haben, verspielt sich die Bewegung gerade massenhaft die Sympathien. Sehr schade! Denn eine beliebte Klimabewegung,  der sich die deutliche Mehrheit der Bevölkerung anschließen kann, wird im Kampf gegen den Klimawandel dringend benötigt.

Sie beschreiben den Kontrast zwischen der urbanen Lebenswelt Ihrer Kommilitonen und der Ihrer Freunde in der pfälzischen Provinz. Anfangs haben Sie noch versucht, für Fridays for Future zu werben und Ihren Freunden die Bewegung zu erklären. Was hat dazu geführt, dass dann auch Ihre Skepsis gegenüber FfF gewachsen ist?

Ich bemerkte schnell, dass Fridays for Future in meiner dörflich geprägten Heimat keinen Stich machte. Was in meiner Universitätsstadt das größte Thema war, sorgte dort nur für Unmut. Sie betrachteten Fridays for Future vor allem als Bewegung abgehobener Großstädter. Insbesondere störte sie die moralische Überheblichkeit, mit der viele Demonstrierende in der Regel auftreten. Dafür, dass wir in den Großstädten immerhin auch für die Zukunft  ihres Planeten auf die Straße gingen,  könnten sie uns doch wenigstens etwas dankbarer sein, dachte ich zunächst.

Es brodelte in den nächsten Wochen ordentlich in mir. Was ich mir damals nicht hätte vorstellen können:  Mit den Erlebnissen aus meiner Heimat im Hinterkopf verflog die anfängliche Begeisterung für Fridays for Future schnell. Immer mehr begann ich, Verständnis für die Vorwürfe meiner Bekannten zu entwickeln. Wer ihre Verärgerung über Fridays for Future nur als das Resultat vermeintlich uninformierter Provinzler oder populistischer Klimawandelleugner abtun möchte, macht es sich zu einfach. In ihrer Kritik steckt sehr viel Wahrheit. Eine Wahrheit, für die mir erst die Augen geöffnet werden musste.

Was genau ist Ihre Kritik an der Bewegung Fridays for Future? Was sind die wichtigsten Kritikpunkte?

Die meisten meiner Fridays for Future-Bekannten fürchten sich vor einer düster ausgemalten Klimaapokalypse. Sie fordern radikale politische Schritte! Für Kompromisse in der Klimapolitik haben sie keinerlei Verständnis. In ihren Augen sind Kompromisse nur der Ausdruck reiner politischer Verlogenheit. In ihrer oftmals radikalen Denkhaltung werden Politiker schnell per se zu einem Feindbild im Kampf um unsere Zukunft erklärt. Mir gefällt das nicht, denn langfristig betrachtet schadet dies unserer Demokratie.

Die Tatsache, dass viele Demonstrierende lieber andere Menschen und deren klimaschädlichen Lebensstil abkanzeln, anstatt mit ihnen ins Gespräch zu kommen, störte mich zudem auch immer mehr an Fridays for Future. Der erhobene moralische Zeigefinger wurde schnell zum Wiedererkennungsmerkmal der Bewegung. Wer nicht den rigorosen Anforderungen der jungen Demonstranten entspricht, wird rasch zum vermeintlichen „Klimasünder“. Kein Wunder, dass sich so viele Menschen von Fridays for Future vor den Kopf gestoßen fühlen.

Kohlearbeiter und Bandarbeiter in der Automobilindustrie fürchten angesichts möglicher Klimamaßnahmen um ihre berufliche Zukunft. Anstatt den besorgten Menschen mit Mitgefühl zu begegnen, wird Arbeitslosigkeit unter jungen Klimaaktivisten nicht selten als Kollateralschaden im Kampf gegen den Klimawandel betrachtet. Fridays for Future macht sich so sehr viele Feinde. Das kann auch sehr gefährlich werden: Denn aus Klimakampf kann auf diese Weise ein gefährlicher Kulturkampf werden. Und das möchte nun wirklich niemand.

Nicht erst seit Instagram und Facebook bedarf es prägnanter Slogans und eingängiger Symbole, um eine Botschaft zu vermitteln. Das gilt natürlich auch für die Anliegen der Klimabewegung – Greta Thunberg und auch Luisa Neubauer liefern zuverlässig immer wieder medientaugliche Bilder und News: „perfekte Selbstvermarktung statt Rebellion von unten“, schreiben Sie. Wann ist für Sie die Grenze zwischen geschickter PR und Personenkult überschritten?

Klar, auch Fridays for Future möchte in den sozialen Medien gehört werden. Daran lässt sich auch nichts kritisieren, denn jede meinungsstarke Bewegung hat das Recht, gehört werden zu wollen. Bedenklich wird es vor allem dann, wenn die persönliche Inszenierung bei den Aktivisten höchste Priorität genießt, oder wenn dies zumindest so empfunden wird. Viele Menschen stört die immer professionellere Selbstvermarktung einer Luisa Neubauer oder einer Greta Thunberg. An vorderster Stelle ein Aushängeschild der Fridays for Future-Bewegung zu sein, ist natürlich das i-Tüpfelchen eines perfekten Lebenslaufs. Aus der Klimabewegung ist vor allem eines geworden: Ein Karrieresprungbrett des ehrgeizigen Elitennachwuchses.

Besonders fatal daran: Die Bewegung in ihrem Elfenbeinturm merkt dabei nicht, dass ihre lautstarke Kritik vor allem den Lebensstil vieler sozial Schwächerer trifft, die nicht jeden Tag in den Bioladen um die Ecke gehen können. Genau diese Menschen bekommen dann das Gefühl, dass eine Luisa Neubauer auf Kosten vieler Karriere macht. Wut und Unverständnis sind dann die logische Folge.

Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, damit konsequente Klimapolitik möglich und von einer Mehrheit getragen wird?

Statt über eine intelligente klimapolitische Strategie für die nächsten Jahrzehnte zu diskutieren, handeln wir lieber mit viel Empörung das unmoralische Konsumverhalten unserer Mitbürger ab. Lasst uns endlich über durchdachte Konzepte diskutieren, anstatt uns ausschließlich über die richtige Moral den Kopf zu zerbrechen. 

Klimapolitische Maßnahmen dürfen nicht auf Kosten der Geringverdiener in unserer Gesellschaft gehen. Dies würde nicht nur die Akzeptanz für eine zukünftige Klimapolitik zerstören. Nein, es würde auch die ohnehin schon bestehenden Gräben unserer Gesellschaft nur noch weiter vertiefen. Deswegen: Klimapolitik muss gerecht sein!

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