Frau von hinten vor Wolkenkratzer-Kulisse

Corona hat eine globale Kündigungswelle ausgelöst. © shutterstock

Trendforscher Tristan Horx beobachtet die Ausbreitung der Great Resignation auf den Arbeitsmärkten weltweit. Er konstatiert: Wir reden hier nicht von einer bloßen Kündigungswelle. Die Große Resignation ist eine Form des Protests. Ein gekürzter Auszug aus seinem Buch „Sinnmaximierung“:

Die Menschen wollen nicht mehr zurück – außer es ändert sich fundamental etwas

„Die Pandemie hat nicht nur die sogenannte Remote-Work- beziehungsweise Homeoffice-Welt endlich erzwungen, sie hat damit viele Menschen aus dem ewigen Hamsterrad der Arbeit befreit. Jene, deren Jobs auf Eis lagen oder die in Kurzarbeit geschickt wurden, hatten plötzlich Raum und Zeit, den Status quo zu hinterfragen: Zu Hause sitzen, nicht arbeiten können – schrecklich, müsste jetzt nicht eigentlich die Gesellschaft den Bach runtergehen, so wie es uns immer eingeredet wurde? Eher nein. Und macht mich mein Beruf eigentlich glücklich? Soll ich das 40 Jahre lang machen, um mit 65 endlich frei zu sein? Aus genau dieser Zeit der Selbstreflexion und der folgenden Katharsis entstand die sogenannte Great Resignation, eine große Kündigungsbewegung, die sich nun langsam über den Globus ausbreitet. Es lohnt sich, diesen Trend zu untersuchen.

Die Große Resignation ist etwas anderes als bloße Kündigungen – diese Menschen wollen nicht mehr zurück in den alten Arbeitsmarkt, außer es ändert sich etwas auf fundamentaler Ebene. Deswegen ist dieser Trend so spannend, er ist eine Form des Protests.

Jeder Dritte überlegt, den Job zu wechseln

Laut einer Erhebung des U.S. Bureau of Labor Statistics haben 2021 mehr als 33 Millionen Amerikaner:innen ihren Job aufgegeben. Vor allem waren es die Bereiche Freizeit und Gastgewerbe, gefolgt vom Dienstleistungssektor, der Landwirtschaft und dem Bildungs- und Gesundheitswesen, in denen das Handtuch geworfen wurde. Alles durchaus Berufe, die verdammt hart sind und gleichzeitig erbärmlich entlohnt werden. Im November 2021 gab es in den USA das Rekordhoch an Kündigungen, insgesamt 4,5 Millionen. Gleichzeitig boten sich 6,9 Millionen Arbeitssuchenden 10,9 Millionen offene Positionen. So eine starke Kündigungswelle gab es in den vergangenen 20 Jahren noch nie. In Deutschland hat jede:r Zehnte im Zuge der Pandemie den Job gewechselt, in Österreich waren es 23, in der Schweiz 24 Prozent. Und auch viele von denen, die geblieben sind, sind ans Nachdenken gekommen: Mehr als jede:r dritte Deutsche denkt momentan darüber nach, den Job zu wechseln, zwölf Prozent mehr als in den Jahren zuvor.

Was für eine geile Zeit

Spannenderweise waren es gerade diejenigen zwischen 30 und 45 Jahren, also durchaus Menschen, die bereits ordentlich im Berufsleben stehen, die sich verweigerten. Ich glaube, dahinter steckt ein Umdenken, das durch die Krise beschleunigt, aber nicht erfunden wurde: Die Fragen des Lebensglücks, der Zeit und Freiheit des eigenen Daseins wurden reflektiert und daraus endlich Konsequenzen gezogen: So viel Materielles brauchen wir dann doch nicht zum Leben. Wenn man die Pandemie als Arbeitskraft in der Pflege überstanden hat, einem eine Verbesserung und größere Anerkennung versprochen wurde, nur um dann wieder in Vergessenheit zu geraten, ist es durchaus verständlich, dass man das Handtuch wirft.

Aus den USA erreichten uns Unmengen an Bildern verschiedener Geschäfte mit Schildern wie »Sorry, wir sind geschlossen, alle haben gekündigt, und der Manager ist ein Arschloch«. Eine Zeit lang versuchten die Arbeitgeber:innen noch, mit den altbewährten Mitteln Menschen wieder in die Berufe zu locken, aber nichts funktionierte. Auf einmal musste McDonald’s bis zu 20 Dollar Einstiegslohn (eine Steigerung von fast 100 Prozent) bezahlen, nur um wieder Leute hinter den Tresen zu bewegen (was übrigens kaum einen Unterschied beim Gewinn gemacht hat). Umso mehr wurde klar, dass die Große Resignation eine gute Sache war, ein dringend notwendiger Protest. Auf einmal müssen sich Unternehmen attraktiv für Arbeitnehmer:innen machen und nicht umgekehrt – was für eine geile Zeit.“

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