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Die moderne Arbeitswelt verändert sich schnell und grundlegend – und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die wahren Gründe für den Wandel der Arbeitswelt liegen viel tiefer.
Arbeiten gestern und heute
Noch vor wenigen Jahren galt ein „Nine-to-five-Job“, also eine Arbeitsstelle mit geregelten Arbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr, als die Regel, die kaum jemand weiter hinterfragte. Karriere, Macht und Geld waren – überwiegend bei Männern – die großen Treiber des Arbeitslebens.
Doch heute lässt sich nicht nur an den Stellenanzeigen ablesen, dass andere Dinge plötzlich wichtiger zu sein scheinen. Von „Work-Life-Blending“ ist da die Rede, in Zeitungen und Talkshows wird eine Vier-Tage-Woche oder gleich das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert, und „das Homeoffice“ ist spätestens seit Corona selbst hartgesottenen Bürogängern ein vertrauter Begriff.
Ursachen für den Wandel der Arbeitswelt
Bevor wir die dramatischen Auswirkungen des Wandels betrachten, wollen wir einen kurzen Blick auf die wichtigsten Ursachen werfen.
Neues Kräfteverhältnis
Da ist zunächst der überall präsente und fast schon gefürchtete demografische Wandel. Jedes Jahr verabschieden sich zurzeit alleine in Deutschland mehr als 1,4 Millionen Menschen in die Rente. Am unteren Ende der Bevölkerungspyramide kommen jedoch bestenfalls rund 800.000 junge Leute nach – die sind entsprechend begehrt auf dem Arbeitsmarkt.
Während sich früher Job-Interessenten um Arbeit beworben haben, ist das Verhältnis in manchen Branchen umgekehrt. IT-Firmen werben in „Bootcamps“ und auf Messen um die wenigen Talente, welche die Universitäten jedes Jahr ausspucken.
Hinzu kommt: Der Trend wird sich jedes Jahr weiter verstärken, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Fachleute sprechen daher auch von einem „Arbeitnehmermarkt“, der den Arbeitgebermarkt abgelöst hat.
Junge Leute haben somit nicht nur den Wunsch, sondern erstmals auch die Macht, ihre Vorstellungen einer modernen Arbeitswelt durchzusetzen.
Digitalisierung
Mindestens ebenso umwälzend ist die fortschreitende Digitalisierung. Laptops und PCs oder Macs durchdringen nahezu jeden Bereich, von Roboter-Balletten in Industriehallen bis zur Echtzeitdiagnose des Kartoffelackers.
Viele Jobs lassen sich komplett von unterwegs aus erledigen, was das Homeoffice in dieser Form überhaupt erst ermöglicht hat. Manche haben daraus gar ein Lebensmodell abgeleitet und bereisen als digitale Nomadin oder Nomade die Welt – zumindest so lange, bis die ersten Kinder geboren werden.
Die Digitalisierung sorgt auch dafür, dass die Produktivität weiter zunimmt. Das sollte zumindest in der Theorie Freiraum schaffen für mehr Zeit, mehr Geld oder beides zusammen.
Corona
Die Corona-Pandemie gilt schon heute – während sie in Teilen noch andauert – als Zäsur. Manche konnten von heute auf morgen nicht mehr arbeiten, viele hatten eine lange Auszeit. Andere leiden noch heute unter den Spätfolgen einer Covid-Infektion und sind weit weniger leistungsfähig als vor der Erkrankung. Und bei wieder anderen hat sich der Arbeitsplatz komplett gewandelt.
Corona hat den Wandel der Arbeitswelt noch einmal dramatisch beschleunigt. Das Virus hat neben all den schrecklichen Folgen auch gezeigt, dass manch vorher Undenkbares trotzdem funktionieren kann. Von heute auf morgen waren Firmen gezwungen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, in Rekordzeit wurden selbst traditionelle Branchen reif fürs digitale Zeitalter. Und am Ende wuchs die Erkenntnis, dass Menschen auch im Homeoffice produktiv sein können.
Manche dieser Veränderungen dürften dauerhaft Bestand haben – vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fanden Gefallen an verringerten oder flexiblen Arbeitszeiten sowie dem Homeoffice. Auch „Work-Life-Blending“, das Vermischen von Arbeit und Freizeit, wird von vielen als angenehm empfunden, sofern der Arbeitsanteil dabei fair berücksichtigt wird.
Auf der Suche nach dem Sinn
Vor allem in jüngeren Generationen taucht seit Jahren vermehrt die Frage nach dem Sinn der Arbeit auf – ebenfalls katalysiert durch die Pandemie.
Einig sind sich die meisten, worin der Sinn nicht liegen kann: Geld ist gerade für die jüngeren Menschen laut wiederkehrender Generationenreports weniger wichtig als früher. Stattdessen geben die meisten je nach Studie an, Spaß am Job, Autonomie und eine gute Arbeitsatmosphäre haben zu wollen, ebenso natürlich wie eine sinnvolle Tätigkeit.
Und dann ist da natürlich der Klimawandel samt Protest dagegen. Die meisten geben außerdem an, ihr Unternehmen solle auf eine gute Klimabilanz achten und nachhaltig wirtschaften. Umweltfreundlichkeit ist für Verbraucher wie Arbeitnehmerinnen mittlerweile kein Alleinstellungsmerkmal mehr, sondern schlicht Grundvoraussetzung.
Der konkrete Wandel der Arbeitswelt
Was heißt das konkret für die Arbeitswelt von morgen? Was braucht die neue, heranwachsende Generation? Und was braucht die Wirtschaft?
Einig sind sich Fachleute darin, dass künftig vor allem Soft Skills gefragt sein werden. Wo Maschinen stupide und immer wiederkehrende Aufgaben übernommen haben, kommt es eher darauf an, immer wieder neue Lösungen zu finden und die traditionellen Prozesse zu hinterfragen. Kreatives Denken, digitale Kompetenz und Teamfähigkeit erhöhen die Chancen auf einen Sinn stiftenden Wunsch-Arbeitsplatz weiter.
Für Unternehmen wird es darum gehen, mehr als bisher den eigenen Sinn und Wert für die Gesellschaft zu hinterfragen. Je packender das „Mission Statement“, desto eher werden vor allem Menschen der jungen Generationen geneigt sein, ihre Arbeitskraft für ein Unternehmen einzusetzen. Darüber hinaus wird es wichtig sein, die Zufriedenheit der Werktätigen im Unternehmen hoch zu halten – mit einem Obstkorb und Wasser alleine wird das immer seltener gelingen.
Fazit: Wandel der Arbeitswelt
Die Anzeichen einer neuen Arbeitswelt und -kultur zeigen sich an immer mehr Stellen – doch wie nachhaltig der Wandel ist und ob er auch in Krisen- wie Kriegszeiten Bestand hat, muss sich noch zeigen.
Fest steht, dass sich die Wünsche jüngerer Menschen teils gravierend von denen älterer unterscheiden. Mehr Zeit für die eigene Passion, Selbstbestimmtheit und Gestaltungsfreiraum stehen dabei ganz oben auf der Wunschliste. Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit zahlen auf eine sinnvolle Beschäftigung ein, Wachstum um jeden Preis dagegen sorgt für ein Saldo auf dem Sinn-Konto.
Zukunftsforscher Tristan Horx, selbst Teil der Generation Y, formuliert die Ansprüche noch radikaler. In seinem Buch „Sinnmaximierung: Die Arbeitswelt im Wandel“ fordert er neue Modelle für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mehr Nachhaltigkeit in der Weltwirtschaft sowie Zurückhaltung im Konsumverhalten. Er beklagt das Festhalten an klassischen Arbeitsstrukturen und eine Arbeitswelt, die noch aus dem Industriezeitalter stammt, hat aber auch Lösungsvorschläge. In seinem Buch heißt es:
„Vor allem die jüngeren Generationen spüren, dass wir uns langsam aus dem Industriezeitalter hinausbewegen und in ein neues, besseres aufbrechen. Wir hinterfragen die Dynamik der alten Arbeitswelt. Alleine der Begriff »Freizeit« impliziert eigentlich etwas Schreckliches, nämlich, dass wir in der Arbeit eingesperrt sind […]
Das Konzept der Sinnmaximierung vereint diese beiden angeblich unvereinbaren Welten. Maximierung für diejenigen, die sich mit wirtschaftlichen »Hard Facts«, mit Kenn- und Umsatzzahlen wohlfühlen. Sinn für all jene, die sich fragen: Wozu eigentlich das Ganze? Warum immer mehr technologischer Fortschritt, immer mehr Wachstum, wenn nicht, um uns als Menschen glücklicher, zufriedener und sinnerfüllter zu machen? […] die Zukunft entsteht dann, wenn sich vermeintlich unvereinbare Widersprüche in Harmonie vereinen.“
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